Kapitel 19:
Die Bewältigung des vorangegangenen Ereignisses und das Bootsrennen auf dem Teich
Dem Zwergenvolk war das himmlische Erlebnis ganz schön in die Glieder gefahren. Besonders den Erwachsenen setzte diese ungewöhnliche Begegnung zu, da sie feindliche Absichten befürchteten. Die Wichtelkinder waren unbekümmerter und neugieriger. Sie fanden den Besuch der Außerirdischen fantastisch, ja sogar toll. Sie quasselten so durcheinander, dass keiner mehr von ihnen den anderen verstand. In diesem Augenblick griff Herr Wichtel ein, bat um Ruhe und redete zu ihnen: „Ich kann Eure Aufregung verstehen. Wir alle können diese mysteriöse Begegnung nicht begreifen. Auch sind wir keiner Fata Morgana aufgesessen. Möglicherweise hatten die Instrumente im UFO falsche Daten angezeigt. Die Außerirdischen waren dadurch in die Umlaufbahn der Erde geraten und hatten keinen anderen Ausweg mehr als auf unserem irdischen Planeten zu landen. Vielleicht brauchten die Alien Hilfe, wir wissen es nicht. So, meine Lieben, wir haben durch dieses unerwartete Ereignis unsere Arbeit unterbrochen.“
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Noch Stunden später schienen die Zwerge keine rechte Lust zu haben, sich kopfüber in die Arbeit zu stürzen. Sie zogen es vor, den Rest des Tages mit Ausruhen zu verbringen um körperlich aufzutanken und Abstand von dem so eben Erlebten zu nehmen. Manche machten Spaziergange über eine nahegelegene Wiese. Sie entdeckten Kräuter wie das Wiesenschaumkraut, den Löwenzahn und Brennnessel. Auch schauten sie nach den Schmetterlingen, die zu den Blüten hinflatterten und den Nektar aufsaugten. Andere Zwerge blieben in der Nähe ihres Unterschlupfs, wo sie sich durch spannende Spiele einen Ausgleich verschafften. Doch das anfangs sommerlich schwüle Wetter schlug ganz plötzlich um.
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Dunkle Wolken zogen auf. Es begann in Strömen zu regnen. Gleichzeitig zuckten Blitze in rascher Folge, der Donner rollte dumpf und grollend. Heftige Windböen fegten über das ganze Land. Morsche Äste und Zweige riss der Sturm von den Bäumen oder alte Baumstämme wurden durch einschlagende Blitze in Stümpfe verwandelt. So plötzlich wie es kam zog das Unwetter auch von dannen. Die Sonne kam wieder hinter den Wolken hervor und ließ ihre Strahlen blitzend auf die Landschaft fallen. Die kleinen tropfnassen Spaziergänger schlüpften aus dem Gebüsch, unter dem sie Schutz vor dem schlagartigen Wechsel der Witterung gesucht hatten, hervor und eilten Geschwind zu ihren Freunden, die jedoch durch einen vor dem Höhleneingang quer liegenden Ast nicht ins Freie kamen. Ihre Hilferufe wurden zunächst nicht wahrgenommen bis dass die vom Regen durchnässten Wichtels den Wald erreichten. Als sie näher kamen, erkannten sie was geschehen war. Ein abgerissener Ast hatte den Zugang zur Höhle versperrt. Um den Ast beiseite zu schaffen, mussten alle mithelfen, zumal Schlamm und Schmutz sich unter diesem angesammelt hatten. Die Knollennasen, die im Innern der Höhle waren, drückten mit aller Kraft das Holz nach außen, wobei die anderen bemüht waren, das sperrige Stück vom Höhleneingang wegzuziehen. Um die schwere Arbeit durchzuführen, brauchten die kleinen Kerlchen einige Zeit.
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Inzwischen war es Abend geworden. Frau Wichtel hatte mit anderen Zwergenfrauen schon das Abendessen zubereitet. Jeder einzelne bekam eine Portion auf einem größerem Blatt serviert, so dass keiner zu kurz kam. Hinterher beratschlagten die Grünröckchen gemeinsam wie der nächste Tag ablaufen soll. Was ihr nächstes Ziel ist, hatten die Wichtels nicht verraten. Bereits in der Frühe des folgenden Tages standen sie trotz vorausgegangener Anstrengungen von ihrem Lager auf, freuten sich den begonnenen Bau der Boote vollenden zu können. Die ersten beiden fertiggestellten Kähnchen wurden zum Teich gebracht und auf das Wasser gesetzt. Mit Spannung verfolgten die Anwesenden dem Schauspiel. Wie erhofft, drang in die Boote kein Wasser ein. Die Waldmenschen konnten jetzt ohne Bedenken hineinklettern und los rudern.
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Die Fahrt über den Teich erforderte viel Mut. Schließlich hatten die Wichtelmännchen überhaupt keine Erfahrung wie sie steuern sollten. Deshalb fuhr man während der Jungfernfahrt stets am Rande des Gewässers. Alles klappte wunderbar. Herr Wichtel war begeistert und bat seine Freunde in den Wald zurückzukehren und die mittlerweile fertig gebauten Schiffchen zum Teich zu bringen. Sein Sohn Miti beaufsichtigte den gesamten Transport bis dorthin, sein Vater empfing die gesamte Mannschaft und begutachtete mit ernster Miene die geleistete Arbeit. Die Sippschaft vertraute Herrn Wichtel voll und ganz, weil er immer half und jeden einzelnen Zwerg in Ehren hielt. Seinen Prinzipien blieb er von Anfang an treu, in dem er sich sagte, keinen der Zwerge zu unterdrücken, jedem seinen Freiraum zu lassen. Zu dem sollten nach seiner Ansicht geschenkte Talente und Begabungen weiter ausgebildet und entwickelt werden, um sie entsprechend zu nutzen.
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Der Stapellauf ging reibungslos vonstatten. Jetzt war es soweit für die Regatta. Miti und sein Kumpane Titi wollten gegeneinander bei dem Bootsrennen antreten und zeigen, wer der geschicktere Steuermann ist. Jeder Teilnehmer hatte vom andern einen Abstand von etwa 7 Metern einzuhalten, um Zusammenstöße zu vermeiden. Andere Regeln wurden nicht aufgestellt. Ein Pfiff und das Rennen begann. Insgesamt beteiligten sich 15 Wichtels an dem Wettkampf. Sie schossen wie kleine Pfeile über den großen Teich, was die Tiere auf dem Wasser und darunter aufschreckte. Die Enten schwammen fluchtartig zum Ufer hin und die Fischlein reagierten verstört. Der ganze Teich, eigentlich ein stehendes Gewässer, war in Bewegung und die Zuschauer in Rage. Die feuerten eifrig ihre Favoriten an. Plötzlich ein entsetzter Aufschrei in der Zwergenmenge. Eins der Boote kenterte und die Insassen wurden über Bord gespült. Schuld daran war eine Ente, die mit ausgebreiteten Flügeln laut schnatternd flach über das Wasser auf die Wettteilnehmer zuflog und diese angriff. Zum Glück konnten sie sich schwimmend an Land retten, auch hatten die frei Knollennasen keinen einzigen Kratzer bei dem Unfall abbekommen. Sie mischten sich unter die Zuschauer, die weiterhin die Mannschaften durch Zurufe kräftig ermunterten. Titi erreichte als erster das Ziel und schlug Miti nur um eine Nasenlänge.
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Wie aus der Idylle ein Touristenplatz wurde
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