Kapitel 35:
Die Zwerge werden im Schlaf gestört
Nach diesem spannenden Ereignis entschied man sich an Ort und Stelle zu verbleiben, denn in der Finsternis des dichten Waldes war es zu schwierig den rechten Weg zu finden. Sie legten sich alsbald zum Schlafen unter Sträuchern, die hier sehr üppig wuchsen. Doch bevor alle ihre müden Glieder ausstreckten, riet Herr Wichtel und der Zwergenlehrer davon ab, sich auf dem sandigen, weichen Waldboden niederzulassen, wo die fleißigen, roten Waldameisen ihren mannshohen Hügel aus Millionen von Nadeln, Ästchen und Zapfenschuppen zusammengetragen hatten. „Diese rastloen Insekten können Euch beim Schlafen stören“, meinte das Zwergenoberhaupt, „deshalb sucht Schutz zwischen Pflanzen und Büschen.“ Ein paar Zwerge nahmen den ihnen gegebenen Rat wörtlich und kletterten auf die gefächerten Blätter der hohen Farne. Es dauerte nicht lange, da waren alle fest eingeschlafen. Sie ließen sich nicht durch Knistern und Rascheln, das von dem geheimnisvollen Leben im Walde Kunde gibt, stören. Auch das Rotwild, das erhobenen Hauptes an ihnen vorüberzog, behelligte die Zwilche nicht. Sie schnarchten sehr geräuschvoll, so dass die Waldmäuschen erschraken und schlotternd in ihre Löscher wuselten, um dieser lebhaften Sägerei zu entgehen. In der Ferne braute sich ein Gewitter zusammen und zog glücklicherweise südwärts.
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In dieser Nacht drohte den Knirpsen eine echte Gefahr. Einer der Kobolde entdeckte die im Unterholz schlafenden. Er pfiff seine Artgenossen herbei. Diese Störenfriede hatten offenbar Lust einen Streit vom Zaun zu brechen. Sie hüpften wie Butzemänner zwischen den ruhenden Waldleutchen herum, kitzelten sie an ihren Füßchen und stießen satanische Schreie aus. Die überrumpelten Zwerge zogen geschwind ihre Tarnkappen über ihre Köpfchen und verschwanden zwischen Gräsern und Blümchen. Nun geschah etwas, womit die gemeinen, grimmigen Kobolde nicht gerechnet hatten. Sie wurden von den so genannten Soldaten der roten Waldameisen angegriffen. Mit ihren vergrößerten Mundwerken bissen sie sich an den boshaften Gnomen fest und zwangen sie so zur Flucht. Abgehetzt und außer Atem erreichten sie das Ufer eines Tümpels und tauchten ihre geschundenen Arme in das stehende Gewässer, damit die Wunden gekühlt wurden. Selbst hier konnten sie keine Verschnaufpause einlegen, denn die kleinen, arglistigen Waldgeister wurden von blutsaugenden Wasseregeln angegriffen. Rasch zogen sie ihre Ärmchen aus dem Tümpel heraus und fluchten lauthals schreiend in der Gegend herum. An liebsten hätten sie auf den Ameisen herumgetrampelt. Leider waren sie längst verschwunden, flitzten zu ihrem Ameisenvolk zurück, damit dieses vor fremden Angriffen weiterhin geschützt blieb.
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Die Wichtels fanden keinen erholsamen Schlaf mehr, weil die fliegenden Leuchtkäfer durch die plötzliche Attacke ganz durcheinander geraten waren. Diese Glühwürmchen konnten ihre am Boden flügellosen Weibchen trotz ihres Leichtvermögens nicht mehr ausfindig machen. Zu dem belästigte das Geflimmere und Gesurre die Zwerge. Erst am frühen Morgen fielen sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf und erwachten erst, als die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte. Noch schlaftrunken liefen die kleinen Racker zu einem klaren Rinnsal, wuschen ihre Gesichtchen, wobei sie ihre Äugelchen ordentlich rieben. Ständig, ähnlich den Wildtieren, spitzten sie ihre Ohren, um bei Gefahr rechtzeitig abzuhauen.
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An jenem Tage hörten sie Kinderstimmen. Schnell schlüpften die Zwerge unter einen Busch am Rande einer Senke und warteten bis die kleinen Wanderer näher kamen. Es waren mehrere Buben, die durch den Wald strolchten. Direkt vor der Kuhle, wo die Zwerge sich verborgen hielten, legten sie eine kurze Rast ein. Mit dabei war der Sohn vom Tierarzt. Lisa erkannte Hänschen und machte sich bei ihm bemerkbar. Während die anderen Wichtels im Hintergrund blieben und beobachteten. Das tapfere Mädchen setze ihre Tarnkappe ab. Vorsichtig lief sie auf Hänschen zu, krabbelte an seinem Rücken hoch, bis zum Ohr. Sie flüsterte ihm zu, er solle ruhig bleiben, nicht erschrecken und auch nicht um sich schlagen. Hänschen erkannte ihre Stimme. Seine Freunde schauten ihn verwundert an, weil er ein seltsames Verhalten zeigte. Lisa verschanzte sich in seinen Haaren und erzählte ihm: „Ich habe dem Gespenst zur ewigen Ruhe verholfen, du brauchst dich nicht mehr zu fürchten.“ Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, da kam ein riesengroßes, feuerspeiendes Ungetüm angeflogen. Es schnappte sich die beiden im Fluge und verschwand ohne eine Spur zu hinterlassen. Die Kinder und die Zwerge schauten verdutzt und erschrocken in die Richtung, in die der Riesenvogel sich mit Hänschen und Lisa an Bord auf und davon machte. Die Zwilche kamen aus ihrem Hinterhalt gelaufen. Einer der Jungens kroch zu unseren Freunden hin. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Allesamt standen sie unter Schock. Vater Wichtel erläuterte den anwesenden Kindern und Zwergen, dass er mit den im Wald lebenden Tieren so gleich Verbindung aufnehmen wolle. Irgendeiner von ihnen wird wohl wissen, wo dieses Monster lebt. Gesagt, getan. Wie ein Lauffeuer sprach sich dieses fürchterliche Vorkommnis herum. Sogar Laubfrösche, die sonst nur ihr Gequacke im Kopf haben, beteiligten sich.
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